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November, 2005 - Nr. 11

 

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Paul Bernhard Berghorn
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Geburtstag

  von Paul Bernhard Berghorn

Ein grosser rumänischer Philosoph, E.M. Cioran mit Namen, sprach < vom Nachteil geboren zu sein >. Nun ist es immer einfach vom Unglück zu reden, da es beim Gegenüber sofort suggeriert, ja, richtig, so ist es. Und wenn Cioran < vom Unglück geboren zu sein > spricht, dann schliesst er automatisch alles folgende und mögliche einer Geburt aus: also den Mensch als Menschen, die Natur, die Kunst und auch – die Liebe! Die gibt es nach wie vor trotz aller Philosophie. Geburt ist also a priori ein Unglück.

Eine solche Weltsicht ist die eines Depressiven, Antriebslosen, Suizudalen. Gut wer sich umbringen will, ob philosophisch gerechtfertigt oder nicht, soll es tun, doch diese dunkle Sicht auf die Welt ist eben nur eine Sicht die Welt zu sehen!

Geburtstag ist aber doch vor allem Zukunft - es ist ein Tag der Zukunft, des wie wird es sein - kurz ein Tag der Hoffnung!

Nicht umsonst ist in einem so jungen wie optimistisch empfindenden Land wie Brasilien der Geburtstag für das Individuum ein wichtigeres Fest als Weinachten und Ostern zusammen, da die Freude des da sein gefeiert wird kombiniert mit der Freude der anderen Menschen, dass es diesen Menschen gibt, unverwechselbar! Vom Kind bis zum Greis, Geburtstag in Brasilien ist immer ein Festtag.

Was bedeutet Geburt? Es bedeutet etwas Neues - noch nie Dagewesenes, Einmaliges. Allein diese Tatsache widerlegt die depressive Weltsicht. Denn auch dies: eine depressive Weltsicht so philosophisch und geistig hochstehend wie brillant sie auch sein mag, kreiert nicht, bringt eine Entwicklung nicht voran, bleibt im Hier und Jetzt verhaftet und verbreitet als einzige Lösung: Man kann nichts machen! Nichts ändern!-

Für wahr mit dieser Haltung wäre Columbus in Sevilla geblieben, Rom nicht erbaut und wir würden uns noch immer ängstlich hinter Stadtmauern ducken oder gar in Höhlen wohnen und hätten panische Angst vor dem Feuer.

Die depressive Weltsicht mag ganz nett für Seminare an Universitäten sein, sie hilft dem Leben aber nicht! Geburtstage sind Erinnerungen daran, dass alles begann, sind der Beweis für Entwicklung, sind der Standort des wie weiter?

Natürlich kommen jetzt alle Argumente der leidenden Kinder der Dritten Welt, denen es doch besser ginge, wären sie nicht oder würden sie nicht geboren .Und diese < hoffnungsfrohe > Sicht der Dinge kann nur als zynisch dem Leben gegenüber bezeichnet werden. Nicht die Hoffnung die man diesen – vielleicht – hoffnungslos Geborenen hat ist zynisch, sondern jene sind es, die eine solche Situation zu verantworten haben und sie nicht ändern wollen!

Nehmen wir die Hoffnung jener, die wir als Hoffnungslose bezeichnen, stärken wir den Zynismus der ignorant Mächtigen und die Situation bleibt unverändert. Denn nicht die Hoffnungslosigkeit verändert Leben und Welt, sondern ausschliesslich die Hoffnung!! Sie ist die Kraft der Veränderung, der Geist der Versöhnung, der einzig gangbare Weg der Hoffnungslosigkeit zu entkommen!

Also, was verändern die Herren und Damen Schwarzseher? Rückwärts gewandtes Denken führt in die Hoffnungslosigkeit. Wenn wir der Geburt die Hoffnung nehmen, steht an deren Ende nur die Tötung der Geburt- und dies findet ja bereits in erschütternde Weise statt.

Wer den Menschen die Hoffnung nimmt, raubt ihnen die Seele! Geburtstag ist also auch Hoffnungstag! Und es wichtig sich dies mindestens einmal im Jahr bewusst zu werden! Einmal im Jahr gegen alle Vernunft hoffnungsvoll zu sein!

In grosser Weisheit und unnachahmlich einfacher Klarheit formuliert es Th. Fontane in seinem Alterswerk < Der Stechlin >. Er lässt die Hauptfigur, den alten Dubslav von Stechlin den grossen Satz sagen „Es ist dumm keine Hoffnung zu haben, denn wofür hat man sie!"

Dieser Satz, diese innere Haltung ist weiser und lebensbejahender und hilfreicher als alle noch so kluge Philosophie, an deren Ende nicht selten die dunkle, nebline Hoffnungslosigkeit steht! Geburtstag ist also Neu-Tag!

Paul-Bernhard Berghorn

Zürich im Oktober 2005

 

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