"Wir sollten nicht die ganze Welt belehren" |
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Der bayerische Kulturpolitiker Peter Gauweiler über das Goethe-Institut und die Darstellung Deutschlands im Ausland Peter Gauweiler DIE WELT: Das Goethe-Institut ist wieder in der Diskussion: Es muß sparen, neue Schwerpunkte setzen, globalisieren. Welche Strategie empfehlen Sie? Peter Gauweiler: Das Interessante an dieser Diskussion ist, daß die parlamentarischen Gremien zunächst aus den Medien erfahren, was im Goethe-Institut an Schließungen geplant wird. So schafft man sich Freunde. Die Auswärtige Kulturpolitik - zu deren wichtigsten Mittlern das Goethe-Institut sich zählt - nennt man gern die "dritte Säule" der Außenpolitik, aber viele sehen sie eher als fünftes Rad am Wagen. Dabei sind es in der Regel kulturelle Dinge, jedenfalls sinnliche Empfindungen, die entscheidend sind, wenn von der Beurteilung fremder Länder die Rede ist. Deshalb tut jede Außen-Politik gut daran, Auswärtige Kulturpolitik eben nicht als fünftes Rad am Wagen anzusehen. Und wenn man so viel zu bieten hat wie Deutschland, muß man mehr daraus machen. Ein winziges Beispiel: Hier gibt es jedes Jahr mehrere hervorragende Kunst-Ausstellungen. Hier sollten Mittel fließen, damit diese noch ein paar Wochen in einer Metropole im Ausland gezeigt werden können. WELT: Caspar David Friedrich nach Peking - ist das die Lösung? Gauweiler: Zum Beispiel! Das ist besser als die ewige
Belehrerei über Multikulturalismus und Globalisierung. Auch wenn sie im
Goethe-Institut heute nicht mehr so schön links sind wie früher, sondern nur
noch pastell. Uneigennützig, wie wir sind, stellen wir immer noch viel zu
oft das zurück, was die eigene Kulturnation zu bieten hat, kommen nicht so "naiv"
wie die Italiener oder Franzosen mit der "alten" Kultur daher, sondern sagen
lieber, wie die anderen ihr Land und die Welt ordnen müßten, um heil zu sein
- geschlechtsneutrales Formulieren und Datenschutzbeauftragte inklusive. Wir
sollten die Darstellung des eigenen kulturellen Erbes im Ausland nicht
verplätschern lassen. Bei allem Respekt vor den westlichen Verfassungswerten,
die ja nicht auf eine Nation und eine Kulturform beschränkt sind: Wir wollen
uns doch nicht verkaufen als europäische USA. Im Wappen des US-Präsidenten
steht "Ex pluribus unum" - aus vielem eins: Einheitsessen, Einheitsstraßen,
Einheitskleidung. WELT: Das sehen doch auch viele Alt-Linke inzwischen so. Gauweiler: Durchaus. Ich hätte nie gedacht, daß ich mal eine gemeinsame Initiative starten würde mit der Grünen-Politikerin Antje Vollmer für mehr deutschsprachige Musik im heimischen Radio: Vollmer wollte sogar 40 Prozent Deutschanteil, wogegen unsere Marktdogmatiker gleich protestiert haben. Oder daß Jutta Limbach die Aktion "Deutsch: Die Macht der Sprache" startet - früher hätten wir uns Mut antrinken müssen, um so etwas von uns aus vorzuschlagen. WELT: Der Generalsekretär des Goethe-Instituts hält das Sprachangebot seiner Häuser in Europa für nicht mehr vertretbar, weil es genug private Anbieter gebe. Auch das Auswärtige Amt will die Arbeit in Europa herunterfahren. Gibt es noch den politischen Willen, da gegenzusteuern? Gauweiler: Ja. Sollen denn in Rom oder Kopenhagen oder Paris keine deutschen Bücher mehr ausgeliehen werden dürfen, weil das Goethe-Institut jetzt unbedingt in den Golfstaaten eine Repräsentanz eröffnen will? Selbstverstümmelung ist kein Weg zur Mehrung des Ansehens. WELT: Aber muß das auch in Genua oder Bari sein? Gauweiler: Jede Schließung eines bestehenden Goethe-Instituts ist eine Niederlage für Deutschland als Kulturnation. Reden wir doch einmal über die Zahlen. Nach einer Statistik der EU gibt es in der erweiterten Union 81 Millionen Menschen mit Deutsch als Muttersprache und 63 Millionen, die Deutsch als Zweitsprache sprechen. Zusammen sind das mehr als die vergleichbaren Zahlen beim Englischen. Es gibt im Bundestag bei allen Parteien wieder den Begriff der "Sprachsolidarität". Man findet doch heute von Alice Schwarzer bis zur rechten "Jungen Freiheit" niemanden mehr, der nicht fordert, daß Ausländer, die zu uns wollen, besser Deutsch lernen müssen. Das ist die Stunde der Goethe-Institute. WELT:Aber wo kürzen, wie umschichten? Gauweiler: Wir reden beim Goethe-Institut über einen Jahresetat von unter 110 Millionen Euro, dazu kommen 40 Millionen Programm-Mittel. Das ist weniger, als ein Autobahndreieck kostet. Der Bundeswehreinsatz im Kongo, über dessen Sinnhaftigkeit kein Parlamentarier Erklärungen abgeben will, kostet auf fünf Monate fast 50 Millionen Euro. Und Deutschland hat keine 20000 Euro für den Erhalt der vielbenutzten und traditionsreichen deutschen Bibliothek in Helsinki. Haben wir denn alle politischen Maßstäbe verloren? Am Ende geht es um die Grundsatzfrage: Wie stellt sich das vereinte Deutschland in der Zukunft wieder dar? Mit einem politologischen Konzept? Oder als eine der ältesten und wichtigsten Kulturnationen? WELT: Welche Schwerpunkte würden Sie setzen? Gauweiler: Wir sind nun einmal ein Teil Europas, hier liegt unser kulturelles Biotop, von dem wir leben. Wir können nicht die ganze Welt anmachen und das unmittelbare kulturelle Umfeld vernachlässigen. Das Goethe-Institut ist keine Reserve-UN. Und Stammkundschaft geht vor Laufkundschaft. Das Gespräch führten Eckhard Fuhr und Rainer Haubrich. Artikel erschienen am Mi, 31. Mai 2006 © WELT.de 1995 - 2006 Vollständige Url des Artikels: http://www.welt.de/data/2006/05/31/896896.html
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