Wenn Freiheit nicht zur Einheit führt |
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von Marianne SchmidtIhre Kolumne: "Hallo, Kanada! Hier O.K. Berlin!" Gedanken zum Tag der Deutschen EinheitIch kann mich noch gut an den Tag erinnern als die Berliner Mauer am 13. August 1961 errichtet wurde. Ich lebte derzeit in Frankfurt am Main und merkwürdigerweise erfuhren wir es schon einen Abend zuvor aus dem Radio auf AFN. Es war nur eine Mutmaßung, die jedoch am nächsten Morgen zur Gewissheit wurde, denn die Westalleierten waren durch Gewährstleute über die Planung einer Abriegelung von West-Berlin informiert, sie wussten nur nicht, wann das geschehen sollte. So begannen auf Geheiß der SED-Führung Volkspolizisten und Soldaten der Nationalen Volksarmee in der Nacht vom 12. zum 13.August 1961 den antifaschistischen Schutzwall zu bauen. Hunderte von Menschen versuchten noch in die Freiheit des Westens zu fliehen, vielen gelang es nicht mehr. Auch der Zugang der S- und U-Bahn im Ostteil der Stadt wurde gesperrt. Die Westberliner U- und S-Bahn durfte in den Ostberliner Stationen nicht mehr halten und mussten durchfahren, bis sie wieder im Westen ankamen. Fazit - was bei der Berliner Blockade nicht erreicht wurde...gelang mit dem Bau der Berliner Mauer. 3 Tage später, am 16.August protestierte der regierende Berliner Bürgermeister Willy Brandt mit 3000000 West-Berliner Demonstranten vor dem Schöneberger Rathaus vergeblich gegen den Mauerbau. Bundeskanzler Konrad Adenauer besuchte erst 2 Wochen später das abgeriegelte Berlin. Für die West-Berliner begann eine schwere Zeit. Egal in welche Richtung sie fuhren, nach 25 Auto-Minuten standen sie vor der Berliner Mauer und kamen nicht weiter. Um nach Westdeutschland fahren zu können, mussten sie einen Kontrollpunkt mit gültigen Ausweispapieren passieren. Stundenlanges Warten an der Grenze machte das Reisen schwer, die Transitstrecke wurde für jeden zum Alptraum. 28 Jahre sollte dieser Alptraum andauern und Hunderte von toten Republikflüchtigen den Grenzwall pflastern. Was zuvor als Grund des Baus der Mauer angegeben wurde, Abwanderung in den Westen, Unterwanderung, Spionage, Schmuggel, vor allem der Ausverkauf zielte mehr auf die DDR-Bürger im eigenen Staat, kam nach fast 3 Jahrzehnten zu einem Machtkampf zwischen Staat und Bürger der DDR. Massenkundgebungen mit Kampf für Reisefreiheit fanden wochenlang statt, Botschaften in verschiedenen osteuropäischen Städten wie Warschau und Prag wurden belagert. Der Druck der DDR-Bürger wurde immer stärker. Und nur ein einziger Versprecher des SED-Politbüromitgliedes Günter Schabowski beim Verlesen einer neuen Ausreiseregelung während einer Pressekonferenz, die abends am 9. November im Fernsehen läuft, lässt für alle DDR-Bürger den Traum von Freiheit wahr werden. "Privatreisen nach dem Ausland können ohne Vorliegen von Voraussetzungen - Reiseanlässe und Verwandtschaftsverhältnisse - beantragt werden. Die Genehmigungen werden kurzfristig erteilt. Ab sofort...war die Antwort von Schabowski auf die Frage eines Journalisten, wann das in Kraft tritt. Mit dieser kurzen Antwort fiel am 9. November um 18.57 Uhr die Mauer. Von da ab wurde der Druck der Ostberliner Bevölkerung so groß, dass Oberstleutnant Jäger um 23.30 Uhr den Grenzübergang an der Bornholmer Straße im Berliner Bezirk Wedding öffnete. Noch in der selben Stunde liegen sich Ost und West in den Armen, weinen vor Glück und können das Unfassbare nicht glauben. Die Stadt steht Kopf und auch ich eile zur Bornholmer Brücke, ich feier mit und erlebe schreckliche Tragödien. Ein 17jähriger bricht in den Armen des herbei geeilten Onkels aus dem Westen zusammen, kann nur noch schreien und weinen, weil er zu Hause auf dem Kühlschrank seinen Ausweis vergaß und nun glaubte, ohne den kommt er nicht weiter. Doch zurück wollte er auf gar keinen Fall, „nie wieder in die DDR", schrie er immer wieder. Ich bin erstaunt, wie gut organisiert wir sind....Busse stehen bereit, um die Menschen in die Stadt zu bringen, Ordnungshüter fragen nach Bürgern der DDR, die sie in Auffanglager bringen wollen, damit sie erst einmal ein Dach über dem Kopf haben. Die Kneipen rund um sind voll besetzt und alles jubelt...Autos hupen, der Sekt fließt und das Feiern nimmt kein Ende. Tagelang! Der Kurfürstendamm quillt über, die U-Bahnen fahren im 1 Minuten Takt und einen Fahrschein braucht man in diesen Tagen nicht. Eine Kontrolle wäre unmöglich. Mir ist plötzlich klar, was es auch für uns im Westteil von Berlin bedeutet. Wir können endlich ohne Grenze reisen, keine Mauer hält uns nach 25 Minuten auf, durchfahren ohne Passkontrolle und Angst, man würde uns nicht durchlassen. Was für ein Gefühl. Meine Arbeit bei Funk und Fernsehen wird zum 24-Stunden Job. Es gab kaum noch Schlaf, ich war ständig auf Reisen ohne Grenzen im Laufe der Jahre, und es begannen wundervolle Freundschaften im Ostteil des Landes. Das Land erblühte, trotzdem macht sich Arbeitslosigkeit breit. Was war das für eine gefährliche Aussage von Bundeskanzler Helmut Kohl: „keinem soll es schlechter gehen". Viele Firmen im Osten müssen schließen, die Menschen werden immer unzufriedener. Die Sicherheit, die sie vorher hatten, kann der Westen ihnen nicht geben. Das preiswerte Brot und die Schrippe für fünf Pfennig zu DDR-Zeiten ist heute ein teures Lebensmittel geworden. Die Armutsgrenze der Deutschen geht rapide in die Höhe...hat man sich so den goldenen Westen vorgestellt? Viele Träume und Wünsche gingen nicht in Erfüllung. Wurde die Bananenrepublik überschätzt? Glaubten die Menschen in der DDR wirklich, man kann sich alles kaufen, was die Warenauslagen bieten? Was 1989 der Wunsch nach Freiheit war, schlägt heute nach dem Ziel der sozialen Gerechtigkeit um. Aber Gerechtigkeit...gibt es die noch auf der Welt??? Hat der Osten nicht schöne blühende Landschaften bekommen? Schauen sie nach Mecklenburg Vorpommern, Insel Rügen strahlt in einem herrlichen Weiß. Dresden hat seine Frauenkirche wieder, und was ist mit der Gedächtniskirche in Berlin??? Die bröckelt leise vor sich hin, traditionelle Geschäfte am Kurfürstendamm müssen schließen, Theater bekommen keine Unterstützung mehr. Kann so die Freiheit zur Einheit werden? Ich hoffe, wir können gemeinsam den Weg zur Einheit finden. Aber manchmal glaube ich, dass es schwerer ist, als die Mauer nieder zu reißen. Von den gelobten wundervollen Freundschaften besteht leider keine mehr. Sie alle haben mich vergessen. Doch ich glaube an das Gute im Menschen und Hoffnung ist ein schönes Wort.
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