Eine Reise in die „Goldene Stadt" Prag
- Teil 1 -
Am Grunde der Moldau wandern
die Steine
Es liegen drei Kaiser begraben in Prag
Das Große bleibt groß nicht und klein nicht das Kleine
Die Nacht hat zwölf Stunden, dann kommt schon der Tag
- Bertolt
Brecht -
Keine drei Stunden dauert die Zugfahrt von Dresden nach Prag
(Praha), der wunderschönen von unzähligen Giebeln und Türmen geprägten
Hauptstadt der Tschechischen Republik (Česká republika) an der Moldau
(Vltava), deren Grundstein bereits Ende des 9. Jahrhunderts mit der
Errichtung der Prager Burg (Pražský Hrad) auf dem Burgberg Hradschin durch
das Geschlecht der Přemysliden gelegt wurde.
Neben der tschechischen Staatsregierung und deren
Nationalbehörden hat seit dem 14. Jahrhundert der katholische Erzbischof
seinen Sitz in Prag. Heute leben hier etwa 1,2 Millionen Menschen auf einer
Fläche von 497 km2 . Die Stadt erstreckt sich über sieben
Hügel, durch die sich auf 31 km die Moldau schlängelt. 16 Brücken führen
über den Fluss, von denen die schönste und bekannteste die Karlsbrücke (Karlův
most) ist. Sie ist eines der bedeutendsten Baudenkmäler Prags und zugleich
Trödelmarkt, Künstlertreffpunkt und Bühne zahlreicher Kleintheatergruppen,
Marionettenspieler, Tänzer und Musiker. Kein Wunder also, dass sich die
Touristen aus aller Welt auf der erst im 15. Jahrhundert fertig gestellten (mit
ihrem Bau wurde bereits 1357 begonnen), 10m breiten, 520 m langen, von
Barockstatuen gesäumten und bis 1836 einzigen Überbrückung der Moldau in
Prag zu Abertausenden tummeln.
Die
aus Sandsteinquadern errichtete Brücke ächzt unter der stetig zunehmenden
Last der Touristenströme, so dass deren Freude auch ein Leid der Brücke
ist. Eine Sanierung ist unumgänglich.
Prag in wenigen Worten zu beschreiben ist so unmöglich wie
die Sterne am nächtlichen Himmel zu zählen. Das zauberhafte Flair dieser
von rotleuchtenden Dächern geprägten Stadt fesselt jeden, sobald er seinen
Fuß auf den historischen Boden setzt.
Prag – das ist die Romantik verwinkelter alter Gassen und
der vielen verschiedenen Baustile, die harmonisch nebeneinander bestehen;
das ist fühlbare Geschichte und Vergangenheit; das ist eine stetig belebte
Stadt und ein Touristenmagnet.
Prag – das ist auch die Geburtsstadt Franz Kafkas, Rainer
Maria Rilkes, Egon Erwin Kischs und Jan Nerudas. Hier lebten und wirkten
ebenso bedeutende Persönlichkeiten wie Jan Hus, Bedřich Smetana und
Wolfgang Amadeus Mozart, als auch Johannes Keppler, Albrecht von Wallenstein
und und und… Sie alle hinterließen Spuren in dieser geschichtsträchtigen
Stadt.
Goldene Stadt…woher auch immer diese Bezeichnung kommen
mag, der Ausblick von einem der zahlreichen besteigbaren Türme enthüllt
bei Sonnenschein ein farbenfrohes Bild von roten Dächern und
goldglänzenden Häusern einer unglaublichen Stadt…
Eine Reise in die „Goldene Stadt" Prag
Prag war die Stadt der Tschechen, Deutschen und Juden. Bis
1938 prägte der Einfluss dieser drei Bevölkerungsgruppen ganz entscheidend
die Kultur und Kulturen der Stadt, schließlich war sie seit ihrer Gründung
ständig Schauplatz politischer, kultureller und religiöser
Auseinandersetzungen.
Hautnah zu erleben ist die bewegte und zugleich
erschütternde Vergangenheit der Juden im jüdischen Viertel, der Josefstadt
(Josefov). Bereits seit dem frühen 10. Jahrhundert lebten Juden in Prag,
deren jüdische Siedlung im Zentrum der Stadt im Zuge der räumlichen
Trennung der verschiedenen religiösen und ethnischen Gruppen im 12.
Jahrhundert entstand. Das heutige Jüdische Museum gibt Auskunft über die
Geschichte und das Leben der Juden in Böhmen. Neben den zu besichtigenden
Synagogen ist das zweifellos beeindruckendste Denkmal jüdischer Kultur in
Prag der Alte Jüdische Friedhof. Mit seinen 12.000 erhaltenen Grabsteinen
ist er der größte noch bestehende jüdische Friedhof Europas. Er wurde in
der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts angelegt und bis 1787 fanden hier
Beisetzungen statt. Allerdings war die Fläche des Friedhofes trotz einiger
Erweiterungen letztlich zu klein, so dass immer wieder neues Erdreich für
neue Gräber aufgeschüttet werden musste, was zu dem noch heute
vorherrschenden hügeligen Erscheinungsbild führte.
Die wohl berühmteste Persönlichkeit, die auf diesem
Friedhof ihre letzte Ruhestätte gefunden hat, ist zweifellos der große
Theologe und Pädagoge Rabbi Jehuda Liwa ben Bezal´el, genannt Rabbi Löw
(1512 bis 1609), dessen Ruf ihm bereist zu seinen Lebzeiten vorauseilte, so
dass er 1592 die Ehre einer Audienz bei Kaiser Rudolf II. erfuhr, der sich
für Löws Kenntnisse der Kabbala interessierte. Einer Legende nach ist
Rabbi Löw der Schöpfer des Golem, der aus Lehm gefertigten Kunstfigur, der
mittels eines Pergamentblättchens, auf dem der unaussprechliche Name Gottes
geschrieben steht, belebt wird. Aufgrund eines „Bedienungsfehlers",
Rabbi Löw hatte am Sabbat vergessen den Golem „auszuschalten",
verfällt der Golem in ungezügelte Raserei und richtet Unheil an. Nachdem
dem Rabbi gelungen ist, den Golem „auszuschalten", verbannt er diesen
auf den Speicher der Altneusynagoge, wo ihn Jahrhunderte später der rasende
Reporter Egon Erwin Kisch vergebens suchte.
Fortsetzung folgt…
- Antje Steiger, 18. Oktober 2001 -
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