Meeting People
Words on the Street, Nuit Blanche, Indie Week: Ein Musik-,
Literatur- oder Kunstfestival jagt das andere und erweitert das
kulturelle Angebot über Museen, Galerien, Theater und Konzerte
hinaus.* Einwanderer aus allen Teilen der Erde sorgen für
ethnische Vielfalt und verleihen der Stadt ein besonderes Flair.
Sportbegeisterte kommen bei Spielen der Maple Leafs (Eishockey),
Raptors (Basketball) und Co. auf ihre Kosten.
Toronto steckt voller Abwechslung. Es besteht wohl keine Gefahr,
dass Langeweile oder Heimweh aufkommt. Zudem wird Kanadiern im
Allgemeinen nachgesagt, dass sie sehr nett sind. Doch was musste
ich bei meiner Internetrecherche lesen: Ausgerechnet für Toronto
soll das nicht gelten.** Ich vermute, es gibt ein weltweit
verbreitetes Vorurteil gegenüber dem Großstädter an sich.
Definitiv habe ich nicht nur unfreundliche Torontoer getroffen,
genau genommen, keinen einzigen. Gut, ein Jugendlicher hat sich
im Nachtbus vor meinen Füßen übergeben. Ich glaube aber nicht,
dass er mir damit etwas mitteilen wollte. Er hat einfach zu
feucht-fröhlich gefeiert.
Bisher sind mir viele sehr hilfsbereite Menschen begegnet. Mein
Englischlehrer zum Beispiel hat kurzerhand einen Freund
angerufen, um herauszufinden, an welchem Wochenende ich im
Algonquin Park die schönsten Herbstfarben sehen kann. Wann immer
ich nicht wusste, wie ich nach Little Italy, zum Grenadier Pond
im High Park oder zu irgendeiner Bus-Station gelange, haben sich
Passanten bemüht, mir den Weg zu zeigen.
Einer meiner Helfer
lief mir sogar ein paar Meter hinterher, weil ihm im Nachhinein
eine Abkürzung eingefallen war. Fast nie bekam ich als Antwort
„I don`t know" – selbst dann nicht, wenn jemand tatsächlich
wenig Ahnung hatte. Allerdings wäre mir im Nachhinein ein
einfaches „ich weiß es nicht" doch lieber gewesen, als eine
falsche Vermutung. Aber wer Angaben vertraut wie: „Vielleicht in
diese Richtung. Es könnte sein, dass ich an einer Scotiabank
vorbeigelaufen bin", ist eigentlich selber schuld. Einmal
genügte sogar ein suchender Blick, um Hilfe zu bekommen.
Ich
hielt nach einem öffentlichen Verkehrsmittel Ausschau, als ich
vom Woodbine Beach der untergehenden Sonne und Toronto-City
entgegen spazierte. Der aufmerksame Passant stammte allerdings
aus Calgary. Das stellte sich heraus, als wir uns über Toronto,
Vancouver, die kommenden und letzten Olympischen Spiele in
Kanada (1988 in Calgary) unterhielten. Mit Torontoern soll es
manchmal schwierig sein, ins Gespräch zu kommen (siehe
http://www.torontocityguide.com/). Ich hoffe, ich kann das Klischee noch
widerlegen. Deshalb nehme ich mir jetzt vor: mehr Einheimische
kennenlernen!
Neben der Hilfsbereitschaft ist mir aufgefallen, dass viele „Thank
you" sagen, wenn sie aus dem Bus aussteigen. Ich bin noch nie
auf die Idee gekommen, mich bei einem Münchner Busfahrer zu
bedanken, weil er mich zum Chinesischen Turm gebracht hat – oder
weil er mich so gut unterhalten hat. Freitagnacht kommentierte
ein Fahrer die Strecke zur Diskothek Guvernment wie ein
Schausteller, der sein Fahrgeschäft anpreist. „Ramba Zamba,
jetzt geht’s ab." Das erinnerte mich an das Oktoberfest in
München. Dort werden Volksfest-Besucher mit ähnlichen Sprüchen
empfangen, wenn sie an der Theresienwiese aus der U-Bahn
aussteigen. In Toronto braucht es scheinbar keinen speziellen
Anlass. Eine Mitschülerin aus dem Englischkurs erzählte mir,
einmal hätte ein Busfahrer spontan den Part eines Stadtführers
eingenommen: „Ladies and Gentleman, have a look to the right, in
the background you can see the famous CN Tower. With its 553 meters it was once the highest
building of the world. And now we are passing the Art Gallery of
Ontario…"
Ich persönlich schätze den CN Tower vor allem als guten
Orientierungspunkt. Ich habe Toronto schließlich bereits bei
meiner Anreise aus der Vogelperspektive gesehen. Das schöne
Wetter und die klare Sicht sorgten für den perfekten ersten
Eindruck. Als sorgfältige Touristin besichtigte ich den CN Tower
trotzdem und habe mir das
Profil der Stadt am See noch einmal
genauer angeschaut: wenige Hochhäuser außerhalb des Financial
Districts, viele Grünflächen rund um die Innenstadt. Kein
Wunder, dass sich die Stadt über eine riesige Fläche ausdehnt.
Irgendwo müssen die rund 2,5 Millionen Einwohner (bzw. 5,5
Millionen in der Greater Toronto Area)*** ja wohnen. Als
nächstes habe ich mir den Besuch in der Kunstgalerie vorgenommen
– zusammen mit Mitschülern. Ich hoffe aber, dass mich bald auch
einmal Torontoer begleiten, wenn ich ihre Stadt erkunde.
* z. B.
www.toronto.ca/events/index.htm bzw.
http://www.thewordonthestreet.ca/wots/toronto,
http://scotiabanknuitblanche.ca
- http://www.indieweek.com
**z. B.
http://toronto.cityguide.ca/is-toronto-unfriendly-017168.php oder
http://mrtoronto.blogspot.com/2006_05_01_archive.html
***
http://www.toronto.ca/toronto_facts/diversity.htm
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