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Erschienen: 
Der Bericht "Multikulturalismus Neu Umrissen" ist bisher nur auf Englisch im April 1990 veröffentlicht worden.
Er erscheint hier zum erstenmal auf Deutsch.

Das Wort "Multikulturalismus" wird selbst von vielen Kanadiern mißverstanden, könnte jedoch bei vollem Verständnis zu einem sehr harmonischen Zusammenspiel der globalen Volksgruppen innerhalb Kanadas führen, beispielhaft für den Rest der Welt. (die Redaktion)

Es ist mehr als ein Wort und oft mißverstanden. Das ist die Folgerung, nachdem einige Zeit vergangen ist, seit Kanada offiziell multikulturell wurde. Dr. Shiu Loon Kong, Präsident des Advisory Council for Multiculturalism and Citizenship, schätzt die Lage neu ein.

Nur eine Handvoll ethnischer Journalisten war zu dem Essen von Dr. Kong eingeladen, wo er die Gelegenheit ergriff, seine Ansichten über den echten und wichtigen Zweck des Multikulturalismusses darzulegen. Das Konzept ist einzigartig kanadisch. Nirgendwo sonst auf der Erde ist es konstitutionell garantiert. In Kanada dagegen ist diese Idee nicht neu. Seitdem die englischen, französischen und eingeborenen Völker auf diesem Teil der nördlichen Halbkugel koexistieren, läuft Multikulturalismus wie eine goldene Richtlinie durch den Lebensstrom der kanadischen Geschichte. Doch jetzt, wo wir diese Linie des Themas aktiv verfolgen, scheinen wir dem Potential nicht nahezukommen. Die Hauptmedien treiben den Punkt voran, daß Kanada sich in einer großen Kontroverse befindet, die das Land teilen wird, während es besser wäre, die existierenden Grundzüge zu benutzen und sie in die Zukunft zu projizieren.

In den 1960er Jahren begann die königliche Kommission unter Premierminister Pearson eine achtjährige Studie über die Mannigfaltigkeit Kanadas, welche mehrere Bände füllte. Bis 1988 dauerte es, daß eine endgültige Version des Multikulturellen Gesetzes formuliert und offiziell eingeführt wurde.

Was Kanadas Identität ist, kann nicht mehr in Frage gestellt werden. Unsere kulturelle Mannigfaltigkeit IST der Hauptbestandteil unserer Kultur und gibt uns daher unsere Identität. Wir reden nicht mehr nur von Toleranz gegenüber anderen völkischen Gruppen in diesem Land. Toleranz beinhaltet die Tendenz, sich alles mögliche vom Leibe zu halten. Mitgefühl, Verstehen und Engagement sind jetzt die Stichworte.

Entwicklungen der letzten Zeit auf diesem Planeten machen es klar. Freiheit ist der Beweggrund für fast alles geworden. Doch muß man sich fragen: Freiheit für und von was? Moderne Geschichte zeigt erneut, daß keine Person oder Regierung für ewig ein Monopol auf etwas haben kann. Der menschliche Geist kann nicht verleugnet werden. Der Erhaltung von Würde und Identität gegen Interesseneinflüsse anderer widmet man sich auf der ganzen Erde. In Kanada haben wir die einzigartige Gelegenheit eine ideale Gesellschaft zu schaffen, wenn wir zusammen den Begriff des Multikulturalismus richtig begreifen und entsprechend anwenden würden.

Anders gesagt: Die Weltprobleme sind unsere Probleme. Ob wir es mögen oder nicht, wir müssen Harmonie mit unserer Umwelt, mit den Menschen dieses Planeten und besonderes natürlich mit den Mitbürgern unseres eigenen Landes finden. Als ein Mikrokosmos der Erde können wir es uns nicht leisten, weiterhin nur für uns zu entscheiden, was richtig ist. Alles, was wir tun, wird alles andere auf dem Planeten beeinflussen. Die Fortschritte in Technologien wie der Kommunikation beschleunigen Entscheidungen, können aber auch Probleme schaffen, wenn sie nicht verantwortlich benutzt werden. Wir sind nicht das einzige mehrsprachige Land, wir bauschen das Problem jedoch so stark auf, daß es uns schadet. Die Hauptmedien fördern das mit aufpeitschenden Berichten, während man in Lösungen denken sollte und diese groß veröffentlicht werden sollten.

Kanada hat 400 Milliarden Dollar Schulden, die jährlich um 50 Milliarden anwachsen. Zur Zeit verpfänden wir unsere Zukunft. Doch keiner sagt es dem Volk. Ländliche Gebiete verlieren ihren Nachwuchs und wenn nichts unternommen wird, werden Geisterstädte typisch für die Zukunft sein. Ein nationaler Plan zwischen kleineren und größeren Orten und Städten ist notwendig, um weiteren Schaden zu verhindern. Euphorie über die Technologie unserer Wegwerfgesellschaft zerstört unsere Geschichte und unser Erbgut. Statt dessen sollten wir unser Wissen zum Bau der Zukunft anwenden. Wir sind eine mehrsprachige, vielvölkische Gesellschaft, und sind es immer gewesen. Das ist es, was verbreitet werden sollte. Unsere Kollektivschuld und unsere gemeinsame Bindung zur Welt sind und sollten es sein, dieser Aufgabe nachzukommen, und nicht, Politikern überlassen, uns die Zukunft zu verneinen, indem sie versuchen, wichtige Angelegenheiten mit lokalen Streitereien durcheinander zu bringen. Wir brauchen Personen mit Zukunftsvision und einem Weltblick.

In den 17 Jahren, seit der Beirat besteht, wurden 60 Personen mit beispielhafter, freiwilliger Dienstleistung dazu berufen, Gesetzgebungen, Richtlinien und Programme auszuarbeiten. Aber das Komische mit einem Ratschlag ist: Er wird gegeben, doch nicht unbedingt angenommen. Die Regierung bringt es nicht fertig, etwas zu verstehen, plant nicht genug im Voraus und greift dann zu Notmaßnahmen.

Jeder Bürger sollte verstehen, was ist wirklich Kanada, was sind die Auswirkungen auf unser Überleben. Unter optimalen Umständen können wir mit unserem Potential eine große und moralische Kraft auf der Erde sein.

Alle Rassenbeziehungen auf der Erde tun am Ende nicht anderes, als Trivialitäten zu adressieren.

Um Harmonie zu erreichen, müssen wir uns selber kennen und andere verstehen. Dann erst können wir gemeinsame Probleme, wie z.B. Drogenmißbrauch, angreifen. Es ist hauptsächlich ein Phänomen der Langeweile und tritt dann auf, wenn dem Menschen nicht genug Verantwortung gegeben wird. Der Ausverkauf Kanadas (Free Trade), die Einführung neuer Steuern wie die GST sind wirklich nicht eine Lösung. Wir müssen von unseren Führenden verlangen, daß sie Entscheidungen treffen, die die Zukunft miteinbeschließen, da diese Auswirkungen auf jeden egal wo haben werden. Nach den Statistiken wird es zum Jahre 2012 keine Kinder in den Elementarschulen geben, da unsere Geburtenratet nur 1,6% ist, wenn es 2.2% sein sollten. Wir verlieren unsere besten Köpfe in allen möglichen Berufen, unsere Elite in die Gefilde südlich unserer Grenze, weil sie nicht gewillt sind, 60 Cent von jedem verdienten Dollar für die Steuer auszugeben. Es wird Zeit, daß wir eine aufmerksame und bereichernde Gesellschaft aufbauen und jetzt damit anfangen.

Ideen wie diese und andere bot Dr. Kong zur Gedankenanregung an, in der Hoffnung, daß die Medien, besonders die ethnischen Medien diese Anregungen aufnehmen und mit größerer Verantwortung darüber berichten, was tatsächlich alle in Kanada lebenden Menschen betrifft. Er meint, wir sollten über die unwichtigen Trivialitäten hinauswachsen und statt dessen uns Gedanken mit Weitsicht in die Zukunft machen. Während da noch ein Nachholbedarf ist, der adressiert werden muß, können wir damit anfangen, ein gutes Beispiel zu setzen und begreifen, daß wir alle im selben Boot sitzen, egal was unsere Herkunft ist. Wir können und sollten uns anstrengen, diese Unterschiede zu verstehen und zusammen unserer Zukunft schmieden. Die Mehrzahl von uns wird damit übereinstimmen, daß dies der einzige Weg für eine anhaltende und harmonische Beziehung zwischen der globalen Gemeinde und uns ist.

Sybille Forster-Rentmeister