Home of Echoworld Communications

To Echo Germanica Homepage
July 2000 - Nr. 7

 

The Editor
Grüße vom Konsulat
Antje berichtet
Hier O.K. Berlin!
Sprachschule
German Heritage...
Views & Reviews
Freddie Holland
Canada Day
Illinois pays tribute...
Down On The Town
Polo Ball
Blickpunkt Toronto
In Memoriam
Dick reports...
Sybille reports
Ham Se det jehört?

Blickpunkt Toronto

von Vasile Poenaru

Vasile PoenaruZu Fuß durch die Welt.
EXPO 2000 Hannover

Die Zweckmäßigkeit einer Weltausstellung leuchtet heutzutage nicht immer ein. Wozu? heißt es. Warum kosten die Würstchen so viel auf dem EXPO-Gelände? Wo liegt der Unterschied zwischen Weltausstellung und Weltanschauung? Wird in Hannover gut Fußball gespielt? Warum? Warum nicht?

Das sind keine Fragen. Die EXPO ist an sich zweifellos ein Ereignis. Inwiefern es sich für den Einzelnen lohnt, sie zu besuchen, sei hingestellt. Das ist eine persönliche Überlegung. Wer aber später sagen kann, daß er selber mit dabei gewesen ist, wird es ganz bestimmt nicht bereuen.

Wie kommt man nach Hannover? Lufthansa, die offizielle EXPO-Fluggesellschaft, saust im Nu über den Ozean. Einen verlockenden Eindruck der deutschen EXPO-Welt gewinnt man durch einen Click auf www.expo2000.de. Und die Unterkunft in der Messestadt wird durch die Website www.easyroom.de leicht aus ungefährem Wunschtraum zur erbaulichen Wirklichkeit.

Durchgreifende überregionale Kulturverständnisse der zukunftsgerichteten Menschheit, atemberaubende Standortbestimmungen modernster Technologien und deren Verbundenheit zur Natur sind Leitworte der anspruchsvollen Aufgabe, die man Hannover 2000 nennt.

Freilich kann die kleine Weltreise am Rande der großen Kleinstadt unter Umständen sehr ermüdend werden. Freilich hätte der interaktiv veranlagte Surfer auf dem weit ausgedehnten Gelände internationaler Selbsterkenntnis beiweilen gerne mehr Alternativen, um den jeweils persönlich ausgeprägten Rezeptionshorizont freien Entfaltungsraum zu gewähren. Nichtsdestoweniger jedoch dringen viele Eindrücke tief in das Bewußtsein der Menschen ein, die sich ihrer erschließen, um herauszufinden, was der Mensch anderweitig zu leisten vermag und wie er heutzutage sich selbst und seine Umwelt empfindet.

Wer etwa den Film im EU-Pavillon miterlebt, kann nicht umhin, mit inniger Erregung an die vielen kleinen europäischen Geschichten zurückzudenken, die sich in den letzten Jahrzehnten so gewaltig auf das Selbstbewußtsein des Alten Kontinents ausgewirkt haben und nun gemeinsam in das große überregionale Haus fließen sollen, das für Euro-Angehörige eingerichtet wird.

Das Konzept dieser Versinnbildlichung eines erschütternden Werdegangs wurde vorzüglich ausgearbeitet: Die Zuschauer sitzen in einem mobilen Saal, der ein Fahrzeug sein will, das durch die Meilensteine der EU fährt und dabei weder die so wichtigen stimmungsvollen Caffees außer Acht läßt, in denen oft der Hauch kollektiver Gemütsveranlagungen zu erhaschen ist, noch aber die imponierenden Wahrzeichen des bewährten europäischen Identitätsgefühls, darunter der Eiffel-Turm, von dem aus man auch gleich einen Abstecher ins Weltall macht, um dann wieder auf die Erde niederzustürzen, die wir alle unser nennen. Wer sich auf diese wahnsinnige Fahrt begibt, kann die Chance wahrnehmen, mehr über sich selbst zu erfahren und über das, was noch auf einen zukommt.

Nach vorne, nach links und rechts, nach oben und unten: Überall fährt das Fahrzeug der kollektiven Erkenntsnis hin, in dem die Besucher des EU-Pavillons durch eine Geschichte sausen, deren größtes Wort noch nicht geschrieben wurde. Nur rückwärts geht es nie: Bis man schließlich durch einen gewaltigen Anprall gegen die Mauer zum Halt gebracht wird. Ja, es ist die Berliner Mauer, sie will unserer Traumfahrt ein Ende bereiten: Sie will die Endstation unserer Hoffnung sein. Wir nehmen Anlauf und schießen wie ein Prellbock nach vorne, um die Zukunft zu sichten. Ein Riß entsteht. Und noch einer. Und dann viele andere mehr. Bald geht es weiter über den Trümmerhaufen entzweiender Bauten der Willkür. Die Gegenwart ist da, viele Stimmen sollen nun in ihr Platz haben. Wir freuen uns sehr über den Fall der Mauer, all dies haben wir gemeinsam miterlebt, gemeinsam mitgestaltet. Oder doch nicht. Eine Ahnung kommt auf: Man braucht kein Held zu sein, um Geschichte zu schreiben, man braucht kein Genie zu sein, um Außerordentliches zu leisten. Es reicht, wenn man im richtigen Sattel sitzt. Im richtigen Pavillon. In der rechten Welt.

Die 15 Meter hohe Dachkonstruktion des Deutschen Pavillons wiegt über 1,000 Tonnen. Das sich darunter manches tut, ist ein offenes Geheimnis. Auf 130 Meter Länge und 90 Meter Breite erstrecken sich die Ideenwerkstatt Deutschland, Brücken in die Zukunft und Mosaik Deutschland. Das Kulturprogramm im Deutschen Pavillon umfaßt mehr als 500 Veranstaltungen. Jeder Augenblick ist voll ausgelastet. Im Kino wird ein recht überwältigender Film gezeigt, dem man freilich von Anfang an entnimmt, daß er vor allem darauf hin konzipiert wurde, recht überwältigend zu wirken.

Hinüber zum kanadischen Pavillon: Mit seinen 7,500 Quadratmetern ist er der zweitgrößte nach dem deutschen. Wenn man sich ein Fußballfeld denkt, hat man einen Begriff davon. Auch hier wartet unter anderem ein multimediales Ereignis, und zwar fast so gut wie dasjenige im EU Pavillon. Gezeigt wird natürlich vor allem die einmalige Vielfalt der Natur und der Menschen. Die sagenhaften kanadischen Wälder agieren gleichsam als dramatischer Treffpunkt zwischen dem natürlichen und dem technischen Verständnis der Stunde: Auf einmal fängt ein Wald Feuer. Der Kampf zwischen den Elementen gestaltet sich im Zeichen der Herausforderung, Mensch, Natur und Technik unter denselben Hut zu bringen.

Die technische Lösung der Aufzeigung dieser Perspektive kommt erstaunlich gut an, denn es werden sowohl virtuelle als auch natürliche Elemente dazu herangezogen. Das Wasser ist echt, der Brand hingegen simuliert. So einfach dieses Konzept auch an sich scheinen mag, so gewaltig wirkt es dank der vorzüglichen Inszenierung. Durch das anschaulich abgestimmte Augenspiel der Springbrunnen wird der virtuelle Brand im multimedialen Erlebnisbereich gelöscht.

Auf der einen Seite kann man somit sehen, wie der Mensch mithilfe moderner Technik sich der Natur bemächtigt: nicht um ihrer Herr zu werden, sondern um das ökologische Gleichgewicht des immer kleiner dünkenden Globus verantwortungsbewußt zu bewahren. Zugleich aber rückt anhand dieses Bildes eine neue Überlegung des Gegeneinander von fingierter und tatsächlicher Wirklichkeit in den Vordergrund der Betrachtungen. Gewöhnlich ist es ja eher so, daß Imaginäres in das Reich der Wirklichkeit eindringt, um Welten entstehen zu lassen. Dieses Mal jedoch dringt die Wirklichkeit in den funktional-ästhetisch verklärten Bereich entfesselter Einbildungskraft ein, wodurch die Akzeptanz einer elektronisch simulierten Lebhaftigkeit der kanadisch geprägten Radiographie unserer Zeit ungemein potentiert wird.

Vor der Wüste am Pavillon der Vereinigten Arabischen Emirate spazieren drei Elefanten herum; freilich wirken sie eher als große Haustiere. Volksmusik und Trachtenfeste bieten sich überall an.

Oft sind gerade die weniger entwickelten Staaten besser dran, die Besucher zu beeindrucken, da sie ein reichhaltiges Kulturdiagramm beiweilen exotischer Regionen bringen. Den Rhythmus afrikanischer Trommeln zum Beispiel kann das Wort nicht einfangen.

Gut angekommen ist auch die Idee der zentralen Themenparks. Die globalen Lösungen und die globalen Nöte gehen freilich oft weit auseinander, wobei man sich allerdings mittelweile weltweit im zunehmenden Maße dessen bewußt wird, daß der im Rausch eigennnütziger Globalisierung von fleißigen Umweltverschmutzern in den Nachbargarten exportierte Mist allen Staaten früher oder später unheimlich viel zu schaffen macht. Doch irgendwie ist die Stimmung zu feierlich, um dies jetzt eindringlich zu bedenken.

Und es gab in Hannover natürlich noch Demonstrationen gegen die Expo (wie es auch in Toronto ganz bestimmt welche gegeben hätte, falls es der Stadt gelungen wäre, die Weltausstellung zu organisieren). Die verzeichneten Auseinandersetzungen mit der Polizei würden in Nordamerika allerdings eher als elegantes Gesellschaftsspiel gelten. Da sollten sich die uniformierten Jungs in Toronto ein Beispiel nehmen, die Mitte Juni mit ihren ordnungslüsternen Füßen auf den Bäuchen idealistischer Demonstranten herumtrampelten, weil diese vor dem Regierungssitz gegen eine sogenannte Sozialreform protestierten, die die kanadische nationale Katastrophe der Obdachlosigkeit mit demagogischer Inbrunst noch mehr verschlimmert. Auch solche am liebsten totgeschwiegene Aspekte werden zwingend sauberlich mit expo-niert, ob man es nun will oder nicht. Das Moment Hannover versteht sich nämlich nicht zuletzt als wesentlicher Impuls in Richtung der Bewältigung einer tiefgreifenden gesellschaftlichen und moralischen Krise der Gegenwart: einer Aufgabe, die sich viele Länder der Erde zu Herzen genommen haben. Der Sozialstaat nimmt sozusagen seinen internationalen Abschied, der Finanzstaat und der Hi Tech Staat wissen dabei nicht immer mit Mensch und Natur umzugehen. Hoffentlich dient die Messe weltweit als Anregung, den so sehr beschworenen dritten Weg endlich ausfindig zu machen. Und vielleicht auch einen vierten oder fünften. Unser Planet hat sechs Kontinente.

To Top of Page

 
Send mail to webmaster@echoworld.com  with questions or comments about this web site.
For information about Echoworld Communications and its services send mail to info@echoworld.com .

Copyright ©2010 Echoworld Communications