Neulich traf ick ne nette junge Frau im Cafe. Naja, so jung
war se nun ooch nicht mehr, so Anfang der 60. Aber in meinem
Alter is ne 60jährige jung. Also, wir kamen ins Gespräch, weil
ick mir wunderte, det so een junges Ding Cappuccino ohne Kaffein
bestellte. Ick dachte, det nur so alte Hasen wie icke det tun.
Na, Sie wissen ja wie det is, wenn man jerade jemanden neu
jetroffen hat, man fracht, wo man denn herkommt und wie lange
hier und was man macht usw. Stellt sich heraus, det sie als
junge verheiratete Frau herkam, aus Nordrheinwestfalen,
Düsseldorf, um jenau zu sein.
Da kenn ick mir nich so gut aus, aber is ja ooch egal.
Jedenfalls hatten wir beide davon gehört, det Deutschland nun
als Bundesrepublik 60 Jahre alt jeworden ist, und wir fragten
uns, was det wohl für die da drüben bedeutet. Sie und icke haben
ja den viel jrößeren Teil hier in Kanada verbracht, entweder als
Auslandsdeutscher oder Kanadier. Wenn man über 60 ist und nur
ein Drittel der Zeit drüben jelebt hat, dann ist man nicht mehr
janz sooooooo verbunden und kennt sich ooch nicht mehr so gut
aus, trotz Deutscher Welle und Rentenanspruch aus Deutschland.
Also, wir saßen da und frachten uns, was Einichkeit und Recht
und Freiheit in Deutschland uns bedeuten, besonders wo keiner
von uns mehr Verwandte dort hat. Icke war gleich nach dem Krieg,
so schnell es ging, von drüben weg, eben weil det nicht so war
mit dem Recht und der Freiheit. Sie, die jüngere Frau hatte noch
det „wir Wunderkinder" Syndrom in ihrer Schulzeit miterlebt und
fand, det man drüben schon wieder zu fett jeworden war, weshalb
sie und ihr Mann ja ooch ausgewandert waren. Sie konnte sich
noch daran erinnern, det ne Appelsine wat janz Besonderes zu
Weihnachten uffm bunten Teller war. Sie wollte aber politisch
nicht mitmischen. Det lag ihr nicht. Und ihrem Mann ooch nicht.
Deshalb kamen se denn ooch nach Kanada und nicht inne USA, denn
er wollte keene Knarre anfassen. Musste er als einzig
übriggebliebener Sohn inner Familie nicht, und hatte er ooch
keenen Senf druff. Kann man verstehen, besonders icke, denn icke
habe ja für Volk und Vaterland…Naja, Sie wissen schon… icke
denke nicht mehr so gerne daran, habe zu viele Freunde verloren.
Also, ick muss sajen, ick freu mich darüber, det Deutschland ein
so jroßes Ansehen errungen hat, det es gut wieder aufjebaut hat,
det et wieder vereinigt ist, jedenfalls zum guten Teil, und det
es friedlich mit seinen Nachbarn lebt.
Also, da mein Vater schon so lange tot is, det ick mir gar nicht
mehr vorstellen kann, wie er mal aussah, werde ick am Vatertag
einen uffe Lampe jießen und uff det Wohl meines Vaterlandes
trinken, so zum Happy Vaterlands-Tag, versteht sich!
Dauff eene Molle,
Ihr Eberhard Kurt Walter.
PS. Na, und Frohe Pfingsten wünsch ick ooch noch!
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