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October 2001 - Nr. 10

 

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3. Brief aus Kanada

von Rolf Studer

Rolf Studer

Ein Job in der Wildnis

Zwei Stunden westlich von Williams Lake liegt die Chilcotin-Region, in welche mich mein erster Job führt. In den nächsten Wochen werde ich zusammen mit drei Kanadiern und meinem Bruder Heino in der Wildnis einen Zaun für eine der grössten Ranches in British Columbia errichten. Unser Auftraggeber, die "Gang-Ranch", breitet sich über viele Kilometer aus und bietet genug Lebensraum für über 10’000 eigene Rinder.

Die Autofahrt dorthin macht uns mit dem Farwell-Canyon bekannt, wo ausgewaschene Sandsteinfelsen bizarr in den plaumenblauen Himmel ragen und an früheste Indianerfilme mahnen. Eine Schotterstrasse windet sich durch diese trockene Einöde in eine Hochebene, die wieder an kräftigem Grün gewinnt und mich stark ans schweizerische Bündnerland erinnert. Innerhalb von zwei Wochen hat der September die schlanken Zitterpappeln gelbleuchtend verfärbt. Ein wunderbarer Kontrast zum satten Dunkel der endlosen Föhrenwälder, die wie ein Meer gegen den fernen Horizont wogen !

Irgendwo in dieser wildromantischen Landschaft liegt unser Arbeitscamp. Es besteht aus zwei Campern, einem kleinen Zelt und einer offenen Feuerstelle. Um auch in regnerischen Zeiten im Trockenen zu essen, haben wir einen kleinen Unterstand gebaut. Quickfidel rauscht ein kleiner Bach durchs hundert Schritt entfernte Gebüsch und soll uns noch Quell für tausend Freuden werden.

Wir campen in einer Waldlichtung, die von einem lockeren Bestand alter Tannen gesäumt wird. Strohweißes Gras ist unser Teppich und schattige Wipfel das rauschende Dach.

Es ist schon Schwerarbeit, im Buschland zu "fencen" (zäunen) ! Zwei Mann bahnen sich mit Motorsägen einen vier Meter breiten Weg durch’s Unterholz, fällen auch größere Bäume und zerschneiden diese in grobe Stücke. Immer müssen sie mit höchster Konzentration arbeiten, denn sie tragen weder einen Beinschutz, geschweige denn einen Helm, was jeden Augenblick zu einer bösen Verletzung führen könnte.

Nach dieser Vorhut räumt ein "Bobcat-Bagger" die Holzstämme und steiniges Geröll beiseite. Gleichzeitig wird das Gelände so gut wie möglich ausgeebnet. Am Ende der Kolonne stampfe ich wie ein Infanterist hinter dem Panzer her, um die Spur von liegengebliebenen Ästen und Steinen zu säubern. Ich rede mir ein, daß sich mein Rücken bald an dieses stetige Bücken und Heben gewöhnen werde. Danach müssen die Holzpfähle zur Baustelle transportiert werden. Es sind dies etwa 1700 Stück für den 8 km langen Zaun. Jetzt ist meine (völlig perplexe) Armmuskulatur gefordert. Der Boß tuckert im Schrittempo vor mir her, währenddem ich alle sechs Meter einen der ca. 20 kg schweren Pflöcke vom Pickup reisse und die Böschung runter werfe. Später werde ich sie zum Zaun tragen, bis auch den Prokuristenbeinen das Lachen vergeht.

Und heiß ist es unter dieser doch herbstlichen Sonne ! Von den kleinen Wolken wird sie nicht gehindert, unerbittlich in unsere verschwitzten Mützen zu stechen. Zu allem Elend wollen uns gleichzeitig Hunderte "Blackflies" (kleine, blutrünstige Fliegen) zum Wahnsinn treiben und zernagen nebst unseren Armen auch die Arbeitsmoral. In solchen Momenten denkt man an biblische Geschichten und an die mittelalterliche Kühle einer leeren Kirche. Aber alles geht vorüber, und so auch dieser Tag. Nach 10 Stunden hat selbst der Chef einen solchen Durst, dass er Befehl zum Aufhören gibt. Schlagartig verstummen sämtliche Ruder auf der Sklavengaleere. Wir staubigen, verschwitzten Gestalten wanken zum Dodge und plumpsen auf die Sitze. Auf dem Rückweg ins Camp herrscht zumeist ein dumpfes Schweigen.

Es kann aber unvermittelt zu kleinen Jagdszenen kommen, wenn das Fahrzeug jäh stoppt und sich Tim und Lesly ihre bereitliegenden Flinten schnappen. Schon hetzen sie ins Gebüsch. Laute Rufe, einige Schüsse und wieder Rufe. Manchmal kehren sie stolz mit einigen "grouses" (Waldhühner) zurück. Die großen Brüstchen dieser Vögel werden als panierte Streifchen zart über dem Feuer geröstet und schmecken ausgezeichnet.

Nun hat der Feierabend begonnen!

Ich stürze mich nackt und so dezent als möglich in den eiskalten Bach, wo ich im selben Moment sowohl den Durst als auch die verbrannte Kopfhaut lösche. Spätestens nach dem dritten Bier hat man aber die Strapazen des Tages vergessen und beginnt wieder, über die eintröpfelnden Späße der Kameraden zu lächeln.

Zum Abendessen werden als unverzichtbarer Bestandteil Kartoffeln in allen denkbaren Varianten gereicht. Es schmeckt immer herrlich, denn "Hunger ist der beste Koch."

Mein Wunsch, einmal im Leben einem echten Stinktier zu begegnen, hat sich auf bestialische Weise erfüllt. Doch davon später.

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