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7. Brief aus Kanada |
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von Rolf Studer
Eisfischen in Kanada Die arktische Kälte der Dezemberwochen liess die Seen in unserer Gegend praktisch über Nacht zufrieren. Die "Cariboo"-Region liegt ca. 650 km nördlich von Vancouver, also mitten im Herzen Britisch Kolumbiens. Bei Temperaturen von bis zu minus 25 Grad Celsius gibt es jetzt für den Petri-Jünger nur noch eine Möglichkeit, dem geliebten Hobby nachzustellen - das Eisfischen. Als erst kürzlich eingewanderter Schweizer bin ich auf einen einheimischen Fischer angewiesen, der mir diese Disziplin des Sportfischens beibringen wird. Es ist dies wiederum Big Al, der mich bereits in die Geheimnisse der Elchjagd eingeweiht hat. Frühmorgens fahren wir zum nahegelegenen "Dugan-Lake", der einen ausgezeichneten Bestand an ‘brook trout’ (Bachsaibling) und ‘rainbow trout’ bieten soll. Über dem See liegt eine feine Schicht Pulverschnee, auf der wir anfangs vorsichtig tappen, bevor wir dann zunehmend frecher weiterstapfen. Anstandshalber lasse ich Big Al einige Meter vor mir gehen, zumal er mir mit seinem Körpergewicht eine gewisse Portion Sicherheit verspricht... Wir haben uns mit Lorne, einem pensionierten Marinesoldaten und passionierten Angler, verabredet. Ein paar kleine Hüttchen, die wir auf dem gefrorenen See ausmachen, weisen uns in der Morgendämmerung die Richtung zum gegenüberliegenden Ufer. Wie erwartet ist Lorne bereits da und hat auch schon zwei Fische gefangen. Er überlässt uns bereitwillig seine hölzerne Fischerkabine (‘ice fishing hut’), die mich an den Spielfilm "The grampy old men" mit Walter Matthau und Jack Lemmon erinnert. Ein alter Propangasofen erzeugt eine bescheidene, aber höchst willkommene Wärme. Wenn man die leichte Sperrholztüre zuzieht, wird der Raum augenblicklich dunkel. Vor die zwei Löchern, die mit einem speziellen Eisbohrer ins ca. 30 cm dicke Eis gebohrt wurden, sind zwei umgedrehte Plastikkübel hingestellt. Wir setzen uns auf diese ‘Hocker’ und richten unsere kleinen Fischerruten ein, die kaum 70 cm lang sind und praktisch nur aus einem Handteil und einer Rutenspitze bestehen. Wie ich erfahre, bauen die meisten Kanadier ihre Eisfischerruten selbst, aus weggeworfenen Rutenteilen, die sie während des Jahres auf dem ‘dump’ (offene Abfallhalden, die uns Europäer wirklich sehr stören) finden. Als Köder dienen uns ungekochte Shrimps und Maiskörner. Beides wird im Hosensack von Al aufbewahrt, damit es nicht gefriert. Lorne schwört auf eine Kombination, bestehend aus einer Crevette und einem gelben Korn, welches in den Hakenbogen gespiesst wird. An unserer Stelle misst die Seetiefe etwa 6 Fuss, also knapp 2 Meter. Sobald die Hütte geschlossen wird, beginnt das Fischerherz höher zu schlagen. Durch die etwa 30 cm breiten Löcher strahlt grüngelbes Licht gespenstisch zu uns ins Dunkel herauf und ermöglicht den Blick zum Seeboden. So können wir beobachten, wie unsere Köder langsam absinken, bis sie einen halben Meter über dem Grund schweben. Man schaut wie in einen Bildschirm und hat einen Einblick in eine Unterwasserwelt, die alles bietet, wovon wir Angler immer träumen. Und tatsächlich, es dauert nicht lange, bis die ersten Fische auftauchen. Sie wirken riesig, wie sie um unsere Crevetten kreisen, bis dann der erste zielstrebig zum Köder schwimmt und diesen mit seinem stumpfen Kopf antippt. "Es ist aber die Hauptaufgabe eines Köders, unverdächtig zu sein..." Der Adrenalinspiegel steigt, wenn sich das Fischmaul blitzschnell öffnet und die Crevette verschwindet. Jetzt muss ein rascher Anhieb gesetzt werden! Kaum spürt man den Fisch, zappelt er auch schon zwischen Kübeln und Gasofen auf dem blanken Eisboden. Der Drill war wegen der geringen Entfernung viel kürzer als erwartet, denn in dieser Kälte kämpfen die Fische kaum. Es dauert nicht lange, dann fange ich meinen zweiten Saibling, wiederum ein wohlgenährtes Exemplar um die 35 cm. Das Gewichte dieser Fische liegt in der Regel zwischen eins und drei Pfund, wobei aber auch Achtpfünder vorkommen sollen... Mein Freund hat heute das Glück nicht auf seiner Seite: Zuerst rutschen ihm seine Handschuhe nacheinander ins kalte Wasser, dann fällt ihm die zu kleine Mütze ins Eisloch. Kurz darauf leert er im Dunkeln den brühendheissen Kaffee über den rechten Oberschenkel, statt in den Becher mit Rum, und als er endlich den ersten, wirklich riesigen Fisch am Haken hat, sind beide so zappelig, dass er ihn kurz vor dem Landen wieder verliert. Seine anschliessenden Flüche erweitern meine noch jungen Englischkenntnisse um ein Vielfaches. Abgerundet wird sein Pech vollends, als ihm ein fremder Hund einen seiner Fische klaut, die draussen vor der Hütte liegen. Als er den Diebstahl bemerkt, ist es zu spät - der Fisch ist bereits bis auf den Schwanz im Maul des Hundes verschwunden. Nach vier Stunden hat jeder von uns die fünf Fische gefangen, die an diesem See als Tageslimit erlaubt sind. Wohlgenährte, wunderschön gezeichnete Bachsaiblinge liegen wie Schmuckstücke im Schnee. Meine kanadischen Freunde haben an diesem Tag von einem Schweizer gelernt, dass man Fische mit einem schnellen Schlag töten könnte, anstatt sie gedankenlos auf den Schnee zu werfen, um kläglich gefrieren zu lassen. Und ich beabsichtige, eigenhändig zwei kleine Eisfischerruten zu bauen, deren Teile ich aus meiner alten, kaputten Zapfenrute gewinnen will. |
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