Jugendliche und Lesedefizit |
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DN - Die Fähigkeit zu verständnisvollem Lesen gehört zu einer der zentralen Voraussetzungen eines erfolgreichen und erfüllten Lebens. Die internationale Schulleistungsstudie PISA hat auch hier den deutschen Schülern ein schlechtes Zeugnis ausgestellt. Es ist ein neuer Anstoß für Wissenschaftler verschiedener Disziplinen gewesen, über mögliche Verbessungen nachzudenken. Der Leseforscher Ludwig Muth (Freiburg) sieht ein bislang hier nicht ausreichend genutztes Potenzial in der Großelterngeneration, deren quantitativer Anteil an der Bevölkerung ebenso zunimmt wie deren Bildungsniveau. Nach Erkenntnissen der Leseforschung ist das Elternhaus der Ort, an dem die Fähigkeit zum geübten Lesen begründet wird, nicht die Schule. Doch in den meisten Familien sind die Väter und Mütter durch berufliche Arbeit oder andere Pflichten so eingespannt, dass ihnen kaum Zeit bleibt für den nicht geringen Aufwand, in ihren Kindern das Interesse und die Freude am Buch zu wecken und zu pflegen. Im übrigen sehen hierin noch nicht einmal 40 Prozent aller Eltern ein vorrangiges Erziehungsziel, wie eine Umfrage ergab. Hier sieht Muth jedenfalls eine Lücke, die die Großeltern, aber auch andere ältere Personen innerhalb und außerhalb der Familie schließen könnten. Welche Chancen jedenfalls eine intensive Leseförderung in der Familie eröffnet, zeigt eine Erhebung: Von denjenigen, die eine solche Förderung erfahren haben, waren 67 Prozent schon mit 8,9 Jahren intensive Leser, 81 Prozent mit 11, 12 Jahren. Von denen, deren Lesefreude nicht nennenswert gefördert wurde, waren mit 8,9 Jahren nur 13 Prozent intensive Leser, mit 11, 12 nur 24 Prozent. Jedenfalls sind die ersten 13 bis 15 Lebensjahre entscheidend für die Entwicklungsfähigkeit beim Lesen. Muth macht auf einen höchst bedeutsamen Aspekt aufmerksam: "Lesen ist kein naturgegebener Vorgang, sondern er muss lebenslang ‘durchgesetzt’ werden. In der Kindheit zum Beispiel gegen den Drang zu spielen, in der Jugend gegen die Ablenkung durch die Gruppe." Lesefähigkeit setzt eine grundlegende anthropologische Fähigkeit voraus. Die Kinderpsychologin Christa Meves beschreibt sie so: Eine Sache gründlich und genau zu beobachten, die Konzentration auf einen bestimmten Sachverhalt, ohne sich ablenken zu lassen, die Kraft, auch gegen einen sperrigen Widerstand des Nichtverstehens ausharren zu können, bis sich Erfolg einstellt, und das neugierige Interesse, mehr können und mehr wissen zu wollen. Heutige Umwelt- und Lebensverhältnisse mit wechselnden Bezugspersonen, Hektik, Lärm, wechselnden Bezugspersonen sind der Entwicklung und Pflege dieser für eine fruchtbare Existenz vielleicht wichtigsten grundlegenden Fähigkeit nicht förderlich. Sie verhindern das ruhige Sicheinstellen auf eine Sache, wie Muth definiert. Die Allgegenwart bequemer Lebenserleichterungen erschwert das Einbahnen von Geduld und Beharrlichkeit. |
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