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 November 2008 - Nr. 11
 

Den Berlinern das Herz aus dem Leib gerissen.

Marianne SchmidtDer Himmel weinte über Berlin als am 30. Oktober die Flüge für den Zentralflughafen Tempelhof für immer gestrichen wurden. 85 Jahre Pionierzeit der Luftfahrt wurden einfach ausradiert. Die Berliner durften nicht einmal gemeinsam Abschied nehmen, das blieb nur 800 geladenen Gästen vorbehalten. Ein Tag der offenen Tür auf dem Flughafengelände wie zur Besatzungszeit wäre sinnvoller gewesen.

Die Abschiedsrede des Berliner Bürgermeisters wurde von den geladenen Gästen mit vielen Buh-Rufen und Pfiffen begleitet. Vor den Toren des Flughafens hatten sich Hunderte von Demonstranten versammelt.

Die Gäste der Industrie und Handelskammer sind der Einladung erst gar nicht gefolgt. Für sie ist die Schließung des Flughafens eine Abwanderung eines ganzen Wirtschaftszweiges und sie sehen viele Arbeitsplätze in Gefahr.

Der Zentralflughafen Tempelhof gilt bei den Piloten als einer der Schönsten der Welt und nennen ihn liebevoll die Mutter der Welt. Hier wurde Fluggeschichte geschrieben. Auf dem Tempelhofer Feld nahm 1909 Orville Wright seine ersten Flug-Gehversuche, mit denen er zunächst scheiterte, sie immer weiter entwickelte, bis er es zu einigen Rekordflügen schaffte. Zu dieser Zeit wurde das Tempelhofer Feld noch als Parade - und Exerzierplatz genutzt.

1923 entschloss man sich statt eines Messestandorts einen Flughafen zu bauen. Hier entstand das größte Gebäude der Welt, von hier aus wurde als erstes der Himmel berührt. Beim Luftangriff auf Berlin wurde die Flughafenanlage zu großen Teilen zerstört und nach Kriegsende wurde mit dem Neuaufbau begonnen.

Allein die imposante Haupthalle beeindruckte jeden Besucher. Hier musste man nicht durch X Terminals mit Laufbändern gehen, schwere Koffer schleppen, alles war auf kürzestem Weg zu erreichen. Nach der Passkontrolle ging man nur 30 Meter zu Fuß und hatte seine Maschine erreicht.

Was für das damalige Berlin einzigartig war, der Flughafen hatte das beste Nahverkehrsnetz. Der S-Bahnring führte Fluggäste bis S-Bahnhof Papestraße und noch näher am Flughafen kam der U-Bahnhof Tempelhof. Nach dem 2. Weltkrieg kamen noch einige Buslinien hinzu.

Zentraler lag kein Flughafen der Welt. Er war der beliebteste City-Airport schlechthin.

Seinen größten Ruhm aber erreichte der Flughafen während der Berliner Blockade, als 1948 die Amerikaner die Beschützer der West-Berliner wurden. Ein Jahr lang versorgten sie unter Einsatz ihres Lebens die West-Berliner Bevölkerung mit Lebensmitteln und vor allem mit Kohlen und Brennstoffmaterial in einem der kältesten Winter der Nachkriegszeit. Die Berliner verdanken der amerikanischen Luftbrücke ihr Leben.

Aus dieser Zeit geht wohl der berühmteste Helfer der Luftbrücke Oberst Gail Halverson hervor. Er war der Candy Man des Rosinenbombers, der die Idee hatte, Süßigkeiten an selbst gebastelten kleinen Fallschirmen aus dem Flugzeug auf die Bevölkerung abzuwerfen. Oberst Gail Halverson hat heute noch eine enge Beziehung zur Berliner Bevölkerung und wurde, oh welche Schmach, nicht zur Abschiedsfeier eingeladen!!!

Das war ein Fußtritt an alle Helden der Berliner Luftbrücke. Am 12.Mai 1949 endete die Blockade und Berlin wird diese Veteranen einer ersparten Hungersnot durch ihre Versorgungsflüge nie vergessen. Nach der Blockade wurde der Flughafen Tempelhof bald für die zivile Luftfahrt freigegeben.

Tempelhof wurde zur Drehscheibe der europäischen Luftfahrt. Für Bürger, die Berlin nur über den Luftfahrtweg ohne Kontrolle der DDR-Grenzer verlassen konnten, wurde sie ein Weg in die Freiheit.

Die Flüchtlinge der DDR fanden so den Weg in die Freiheit des Westens, politisch Verfolgte, denen es untersagt wurde, die Transitstrecke zu benutzen, konnten Berlin über den Luftweg verlassen. Hier fanden Austausche von Agenten statt, Berühmtheiten aus aller Welt fanden den Weg ins geteilte Berlin nur über den Luftweg.

In manchen Jahren wurden über 5 Millionen Fluggäste pro Jahr abgefertigt und schon bald war die Kapazität der Abfertigungshalle erreicht. Ein zweiter Flughafen in Berlin Tegel wurde auf dem französischen Militärgelände gebaut. Er wurde 1975 zum Hauptflughafen für Berlin.

Doch das Herz des Berliners schlug immer für Tempelhof. Hier wurden viele Feste gefeiert, die unvergessenen Tage der offenen Tür, veranstaltet von den Amerikanern, Japanisches Feuerwerk wurde in den Himmel gezaubert und hier durften Flugzeuge besichtigt werden, für jeden kleinen Berliner Steppke und Vater ein großes Vergnügen.

Während London jetzt einen Flughafen in der Stadt baut, schließt Berlin sein unter Denkmalschutz stehendes Gebäude. Klaus Wowereit erklärt seine Entscheidung zur Schließung des Flughafen Tempelhof als ein Verlustbringer und er wolle Fluglärm für die Anwohner vermeiden, doch ab 1. November kostet es den Berliner Steuerzahler eine Million Euro Unkosten für das Leerstehen des Flughafen Tempelhofs, die Lärmbelästigung ist nur eine Umverteilung nach Brandenburg, auch dort gibt es Anwohner.

Die größte Befürchtung ist aber, dass es für kleine Maschinen schwer werden wird, auf dem neu entstehenden BBI Flughafen in Schönefeld landen zu können, weil die großen Maschinen viel Raum brauchen. Und schon jetzt benötigen die Bauherren für das Ausbauen des neuen Flughafens viele Millionen mehr als veranschlagt wurde.

Wenn in wenigen Jahren der Flughafen Tegel auch noch geschlossen wird, hat die Weltstadt Berlin keinen Flughafen mehr, denn der neue BBI Flughafen Schönefeld liegt in Brandenburg, bei Berlin. So wird aus einer Weltstadt ein Provinznest.

Am 30. Oktober 2008 um 22.17 Uhr stieg die letzte Passagiermaschine, eine C9 1569 mit 30 Fluggästen auf dem Flughafen Tempelhof in die verregneten Wolken Richtung Mannheim. Kurz vor Mitternacht starteten die legendäre JU 52 mit einem wehmütigen Flug Kapitän Bonzmann in den Himmel auf nimmer Wiedersehen und als letztes startete der Rosinenbomber, er wackelte in der Luft und machte noch einmal Winke, Winke mit seinen Flügeln.

Auf dem Flugfeld steht das zurückgebliebene Flugpersonal mit einem Banner in der Hand ausgebreitet "Tempelhof lebt, Wowereit fliegt". Vor den Toren des Flughafens stehen immer noch viele Bürger, sie haben Kerzen angezündet und tragen ihren geliebten Zentralflughafen Tempelhof zu Grabe. Welch ein trauriger Tag für Westberlin. Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit sagte in seiner Abschiedsrede für den Flughafen, "Nostalgie kann kein Gefühl sein, dass uns in die Zukunft trägt."

Er und der Berliner Senat haben es während seiner Amtszeit geschafft, einige Theater im Westteil der Stadt zu schließen, mal sehen, was er als nächsten Geniestreich vorhat. Vielleicht das Wahrzeichen von Berlin, den Funkturm? Der Berliner Zoo war ja auch schon einmal im Gespräch.

 
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Marianne Schmidt, wohnhaft in Berlin, Deutschland berichtet über Kunst, Unterhaltung, Kultur, Reise und Politik

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