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An Ostern wohin?
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Nun, ein Fest, ein abendländisches wird bald den Kalender erreichen: Ostern. Nun wird man denken, dieser Feste gibt es je nach Region mehr oder weniger viele. Doch kein Fest verführt derart ( in Europa ) zur Mobilität wie das Osterfest!- Nicht Weihnachten oder Pfingsten sind im mindesten was die Mobilität betrifft mit Ostern vergleichbar.- Mag es daran liegen, dass es im aufkeimenden Frühling zu freiern ist, also vom „Eise befreit sind Ströme und Bäche" wie unlängst ein Olympier uns mitteilte; mag es daran liegen, dass das Licht heller und die Frauen nun weniger verhüllend gekleidet und somit reizvoller anzuschauen sind... Ostern in Europa bedeutet Sonderzüge, eine unübersehbare Flotte von Charterfügen, Verspätungen an den Flughäfen, vor allem aber, höchst solidarisches Gemeinschaftserlebnis: Stau! Stau auf den Autobahnen. Ob vor dem Gotthard-Tunnel in Nord-Süd Richtung, Autobahn München-Salzburg, Paris-Südfrankreich, Grossraum Madrid oder London-City (da ist verkehrstechnisch immer Ostern), der Oster-Reisende steht mit seinem Auto im Stau. Und der Stau ist wirklich demokratisch und sozial gleichberechtigt: egal ob billigster Gebrauchtwagen oder Nobelkarosse, sie alle müssen warten, warten im Stau. - Auch das ist das demokratische Europa! - Der Osterreisende abendländisch gläubige, vor allem aber der arbeitsfreie werktätige Europäer fährt fast schon fluchtartig – überwiegend in südlicher Richtung, also der Sonne entgegen - aber halt nicht nur ihr entgegen, doch das später. Denn zuerst ist die Wahl des südlichen Ortes entscheidend. Aus nordeuropäischer Sicht sieht das so aus: Grobplanung auf der Europaautokarte: Italien. In der Feinabstimmung kristallisieren sich drei Fluchtpunkte heraus: Rom – Venedig – Florenz. Aha, Ostern und Kultur also ( nicht nur der banalen Sonne entgegen )! Aber Barcelona und die Ruinen des alten Hellas sind doch auch Kultur – nein dies wird als Ziel auf die grossen Ferien, sprich Schulferien, verschoben. Von diesen drei Kristallisationsorten österlicher Kulturmobilität liegt Florenz -oder originalsprachlich Firenze- uneinholbar an der Spitze der Beliebtheitsskala! - Ostern in Florenz heisst daher auch, in kultureller Massenpsychose sich über die Ponte Veccio zu schieben, bei den Uffizien in der Schlange stehen und letztendlich Botticellis <Geburt der Venus> vor lauter Hüten und Köpfe nicht zu sehen, man ahnt nur das da der Botticelli hängen muss!— Doch warum Florenz?! Nun ist diese Stadt zweifelsohne sehr schön, pittoresk und der dortige Espresso ist auch nicht zu verachten (in der kleinen Bar links beim Duomo), doch guten Espresso gibt es auch in Mailand und sogar in Zürich. Rom ist grösser, da wird man nicht so durch die Kultur geschoben, und Venedig ist einzigartig! Aber halb Nordeuropa, Teile Spaniens und eine grosse Zahl Überseeler wollen nach Florenz – und treffen dort auch ein!!- Ist es der Geist des Aufbruchs, die Renaissance, die Wiedererfindung des freien, individuellen Geistes, also quasi eine Oster-Epoche, die sich in dieser Stadt bildete, so dass die Besucher Ostern-Renaissance-Florenz zum emotionalen Drei-und Gleichklang verbinden?! Nun hier haben die Doktoranten der Tiefenpsychologie und die Absolventen der C.G.Jung-Institute vom Schweizerischen Kilchberg bis Japan viel interessante Arbeit vor sich. Fürwahr Florenz, klein, charmant, mit Kunst und Kultur überbordend reich. Vielleicht braucht der Mensch nach der Öde des Winters, des ozeanischen Schnees die lebensspendende Kraft der künstlerischen Phantasie, der sinnenhaften Gestaltung. Florenz – so sagte mir eine Südamerikanerin in Victoria/BC – Florenz sei ihr Traum. Und von Zeit zu Zeit brauchen wir den Anblick unserer Träume. – Und warum nicht Venedig? Ist diese Stadt nicht ein (auch) Traum? Doch Venedig heisst nicht Aufbruch, eher ist sie Symbol für die Schönheit des Verfalls – ein Dahingleiten, nebel-wie sonnenumflutend. Ja Florenz ist wohl die sichtbare unserer Herzen-Ostern. Und einmal, mindestens einmal im Jahr brauchen wir diese Auferstehung unseres Herzens, unserer Seele.- Nun was also werde ich über Ostern mir vornehmen, wohin wird mich die Reise führen - nun die Antwort ist klar - oder? Paul-Bernhard Berghorn Zürich - Florenz, Feb. 2005 Paul-Bernhard Berghorn ist in der Schweiz lebender deutscher Lyriker und Essayist
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